Meldung 19.03.2024

Manuel García Limia, Fraktionsvorsitzender der SPD im Viersener Rat

19. März 2024

Haushaltsrede 2024

„Solides Fundament, dennoch kein Stillstand“

Die Rede im Wortlaut


„Täglich grüßt das Murmeltier!“ So könnte man – wenn man sich die Haushaltslage der letzten Jahre vor Augen führt – ausrufen. Man könnte auch – überspitzt formuliert – die Situation mit den Schlagworten „Schlechte Finanzlage der Kommunen“, „Wenig eigene Gestaltungsspielräume“, „Viele fremdbestimmte Aufgaben“ und „Situation ist nicht selbstverschuldet“ zusammenfassen.

 

Im Grunde erinnert die Situation der Haushalte an das Märchen vom Hasen und Igel. Die Mehrheit dieses Rates und die Verwaltung mit der Bürgermeisterin an der Spitze machen ihre Hausaufgaben und gehen mit dem Haushalt sehr verantwortungsvoll um. Und immer, wenn man am Ziel ankommt, sitzt da der Igel – sprich Bund und Land – und sagt „Ich bin schon hier!“ und packt weitere Pflichtaufgaben drauf, die wir erfüllen müssen. Ohne zwingend dafür zu sorgen, dass es auskömmlich finanziert wird. Und wir sollten auch den Kreis nicht vergessen, der mit einer Erhöhung der Kreisumlage um die Ecke kommt. Die IHK spricht in ihrer Stellungnahme zum vorliegenden Haushalt von den immensen Herausforderungen, die aktuell von allen Kommunen bewältigt werden müssen. Dazu gehören u.a. die hohe Inflation, die Zinserhöhungen und auch der Tarifabschluss im öffentlichen Dienst. Wenn also 97 % des Haushaltes fremdbestimmt sind, dann sind unsere Spielräume überschaubar. Das obwohl wir vor Ort unsere Hausaufgaben machen. Auch die IHK attestiert der Stadt einen soliden Haushaltsplanentwurf.

 

Ich möchte ganz deutlich machen, dass diese Situation kein Viersener Problem ist. Ich zitiere hier die Präsidenten der drei kommunalen Spitzenverbände in NRW: „Viele Kommunen in NRW leben seit Jahren von der Substanz. Wenn das Land nicht bald und nachhaltig etwas gegen die strukturelle Unterfinanzierung tut, geraten wir in eine Abwärtsspirale. Je länger die Kommunen nicht investieren können, desto höher sind die Folgekosten. Viele Kommunen leben bei der kommunalen Infrastruktur seit Jahren auf Verschleiß. Und unterm Strich leidet die Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger. Unsere wachsende gemeinsame Sorge ist, dass ohne ein rasches und entschiedenes Gegensteuern die Handlungsfähigkeit der kommunalen Ebene Schaden nimmt. Dabei geht es auch um die Demokratie vor Ort: Sie kann nur gelebt werden, wenn es echte Handlungs- und Gestaltungspielräume gibt. Das Land muss seiner Verantwortung bei der kommunalen Finanzausstattung gerecht werden“. Eine gute Analyse der aktuellen Situation vieler Kommunen in unserem Land.

 

Auch wenn man durchaus konstatieren muss, dass in Düsseldorf und Berlin dieser Sachverhalt nicht mehr wie früher geflissentlich ignoriert wird: Die Kommunen werden mit ihren finanziellen Problemen trotzdem oft allein gelassen. Das Instrument des Globalen Minderaufwandes hilft zwar bei dem Versuch einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen, mehr jedoch nicht. Von einer angemessenen Finanzausstattung sind wir immer noch weit entfernt. Nicht weil Land oder Bund das Thema Konnexität ignorieren, sondern die finanziellen Rahmenbedingungen inzwischen auch sie vor große Herausforderungen stellt.

 

Es ist Konsens im AK „Haushaltskonsolidierung“, dass wir verantwortungsvoll mit den städtischen Finanzen umgehen müssen und jede Ausgabe auf ihre Notwendigkeit und Nachhaltigkeit hin betrachten müssen. Der Haushalt 2024 zeigt erneut auf, dass die Fortsetzung der bisherigen Konsolidierungsmaßnahmen der richtige Weg ist. Wer gedacht hat, dass die Jahre bis 2022 mit der Corona Pandemie und dem Beginn des Kriegs in der Ukraine schwierig waren, konnte sich kaum vorstellen, dass es 2023 noch getoppt werden würde. Dank unserer leistungsfähigen Verwaltung gelingt es uns – anders als in anderen Kommunen - bisher gut. Viel Luft für Einsparungen ist nicht mehr vorhanden. Das wirft Fragen auf. Was tun? Welche Alternativen gibt es? Steuererhöhungen? Kürzungen von freiwilligen Leistungen? Optionen, die wir als Kommunalpolitiker*innen nie gerne ziehen. Aber losgelöst davon stellt sich hierbei die Frage, ob es denn in der aktuellen Lage Sinn machen würde. Eine Erhöhung der Steuern halten wir aufgrund der Gesamtsituation für falsch. Dies ist übrigens auch einer der Gründe, warum wir abgelehnt haben die Elternbeiträge für KiTa und OGS maßgeblich zu erhöhen. Vor allem nicht, wenn es die Möglichkeit gibt, dass wir auf die Ausgleichrücklage zurückgreifen können. Hier sind uns perspektivisch – wie ein Blick auf die mittelfristige Finanzplanung zeigt – Grenzen gesetzt, da wir diese 2027 aufgebraucht haben.

 

Frau Wöltering hat bei der Einbringung des Haushaltes gesagt, dass wir die Weichen durch Konsolidierungsmaßnahmen und insbesondere einer Aufgabenkritik stellen müssen. Das ist richtig, aber mit uns wird es keine Kürzungen der freiwilligen Leistungen, nur um des Kürzens willen, geben. Natürlich muss man sich jede Ausgabe genau anschauen. Die freiwilligen Leistungen machen den Charakter unserer Stadt aus. Dies hat sich bei der Diskussion zu Sommerbühne und Jazz-Festival gezeigt, wo FDP und die Fraktion „Grüne im Rat der Stadt Viersen“ die Sommerbühne opfern wollten. Eine Veranstaltung, die für ganz viele Menschen eine Herzensangelegenheit ist.

 

Natürlich ist es immer sinnvoll, dass man sich genau anschaut, welche freiwilligen Leistungen angeboten werden und wie diese erfüllt werden. Wir reden aber nur von rund 8,6 Mio. € an freiwilligen Leistungen. Das macht knapp 3 % des Haushaltes aus. Die strukturellen Probleme des Haushaltes lassen sich damit nicht lösen. Kürzungen würden aber sehr vieles kaputt machen. Daher von uns ein klares Nein zu Kürzungen.

 

Trotz einer schwierigen Gesamtlage liegt ein sehr solider Haushalt vor, der trotz aller Widrigkeiten Investitionen von fast 20 Mio. € einplant. Da sind u.a. wichtige Investitionen im KiTa- und Schulbereich. Für Eltern ein klares Signal, dass wir hier in Viersen - was Kinder und Jugendliche betrifft - nicht sparen. Es herrscht also kein Stillstand, sondern wir stellen die Weichen für die Zukunft.

 

Bedeutet die Haushaltssituation, dass wir uns aus der Gestaltung unserer Stadt verabschieden? Blickt man in die jeweiligen Wahlprogramme der aktuellen Wahlperiode, so kann man sehen, dass trotz der finanziellen Situation Forderungen entweder umgesetzt worden sind, oder bereits beantragt wurden und von der Verwaltung aktuell bearbeitet werden. Viele Projekte lassen sich nicht innerhalb eines Haushaltsjahres umsetzen. Vor allem dann, wenn externe Faktoren - ich verweise auf Corona oder den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine - die Spielräume deutlich einschränken. Wir haben uns daher mit haushaltsrelevanten Anträgen zurückgehalten. Kommunalpolitik ist kein Kurzstreckenlauf, sondern entspricht einem Marathon. Ausdauer, Nachhaltigkeit und perspektivisches Denken sind die erforderlichen Eigenschaften. Für uns gibt es eine Vielzahl von Themen und Projekten, die wir auf unserer Agenda haben. Themen, die Sie von unserer Seite immer wieder gehört haben. Einige Bereiche möchte ich an dieser Stelle auf jeden Fall hervorheben.

 

Das „Kommunale Handlungskonzept Wohnen der Stadt Viersen“ macht deutlich, dass hinsichtlich der Ausweisung von Grundstücken für den Bau von Mietwohnungen und Eigenheimen, insbesondere im Segment für bezahlbaren Wohnraum, deutlicher Nachholbedarf besteht. Trotz Akteuren, wie der VAB oder dem Dülkener Bauverein. Wir haben daher als SPD-Fraktion 2022 einen Antrag zur Stärkung des Mietwohnungsbaus und des Baus von öffentlichen Wohnungen und Eigenheimen gestellt. Dieser Antrag wurde vom Fachausschuss beschlossen. Seitdem hat sich wenig getan. Uns ist natürlich bewusst, dass wir hier – wie auch in anderen Bereichen – abhängig von den gegebenen Rahmenbedingungen und Förderkulissen sind. In anderen Kommunen scheint es jedoch zu funktionieren.

 

Deutlich mehr Elan von Seiten der Verwaltung würden wir uns – und nicht nur hier – bei der Bearbeitung von beschlossenen Anträgen wünschen. Der Umstand, dass es durchaus Anträge gibt, die fünf oder sechs Jahre auf eine weitere Bearbeitung warten, werden wir in Zukunft nicht mehr tolerieren. Vor allem nicht bei solchen Themen, die eine große gesellschaftliche Brisanz haben.

 

Auch Mobilität ist ein wichtiger Baustein. In Viersen wird man nie ganz auf das Auto verzichten können. Es ist jedoch wichtig, dass wir nicht vom Auto abhängig sind, wenn wir uns in unserer Stadt fortbewegen. Wir brauchen ein Verkehrsnetz, in dem alle Verkehrsteilnehmer*innen gleichberechtigt sind. Dafür muss der ÖPNV deutlich attraktiver werden. Das „Mobilitätskonzept Viersen 2040“ ist hier die richtige Antwort auf die zukünftigen Herausforderungen und Fragen des Verkehrs. Die ersten Schritte sind – wenn auch gefühlt recht langsam – gemacht. Die Bürger*innen erwarten hier Lösungen, die zumindest mittelfristig einen Paradigmenwechsel mit sich bringen. Das bedeutet jedoch nicht, dass man – wie es die eine oder andere Fraktion im Rat möchte – Entscheidungen einfach an den Menschen vorbeitrifft, weil man glaubt es besser zu wissen. Wir müssen die Menschen mitnehmen. Nur dann wird es dafür Akzeptanz geben.

 

Das gilt übrigens auch beim Thema Klimaschutz. Die Frage der Zukunft ist nicht ob, sondern wie es uns gelingen kann, die angestrebten Klimaziele zu erreichen. Auch hier müssen wir die Menschen mitnehmen. Es ist in unserer Verantwortung, dass Klimaschutz nicht reine Symbolpolitik ist. Wir haben uns als Stadt Viersen hier schon auf dem Weg gemacht. Die zahlreichen politischen Anträge und Initiativen zeigen, dass alle demokratischen Fraktionen im Rat das Thema ernstnehmen. Gleichzeitig muss Klimaschutz für uns Sozialdemokrat*innen immer auch sozial gerecht ausgestaltet werden. Klimaschutz, der nur für wirtschaftlich bessergestellte Bevölkerungsgruppen finanzierbar ist oder mit Regelungswut von Oben gängelt, darf es in Viersen – sofern wir alle mitnehmen wollen – nicht geben. Wenn uns das nicht gelingt, werden wir – so berechtigt die Umsetzung von Klimazielen auch ist – hier scheitern.

 

Gleiches gilt beim Thema Mobilität.

 

Wir müssen Strukturen aufrechterhalten und ausbauen, die dafür sorgen, dass Vereine, Verbände, Organisationen und Ehrenamtler*innen weiterhin ihr Engagement leisten können. Dazu gehören auch Veranstaltungsräumlichkeiten in den Stadtteilen. Ohne diese Infrastruktur werden perspektivisch viele Vereine ihre Arbeit nicht fortführen können. Das Ehrenamt ist das Fundament, auf dem wir unser demokratisches Gemeinwesen aufbauen. Daher müssen wir dafür sorgen, dass diese Strukturen funktionieren können. Dass dieses Gemeinwesen funktioniert, hat sich übrigens bei den beiden großen Demonstrationen in Alt-Viersen und Süchteln gezeigt, an denen über 4000 Menschen teilgenommen haben und die den Feinden unserer Demokratie klare Grenzen aufgezeigt haben.

 

Ein Thema, das Politik weiter auf dem Schirm haben muss, ist die Digitalisierung. Wir müssen Infrastruktur wie Breitband und Funknetze ausbauen. Erste Schritte sind gemacht. Deutsche Glasfaser und geförderte Projekte im Stadtgebiet sind hier nur zwei Beispiele. Das ist eine solide Grundlage, aber Viersen braucht diese harten Standortfaktoren für die Zukunft. Gerade für den Wirtschaftsstandort Viersen. Digitalisierung ist jedoch mehr. Auch mehr als die Digitalisierung von Verwaltung und bürokratischen Prozessen. Wir sind Zeugen einer rasanten technologischen Entwicklung. Aber seien wir ehrlich: Wir alle haben Schwierigkeiten, da mitzuhalten. Es braucht wieder Möglichkeiten – gerade in der Stadtgesellschaft – des Austauschs über solche Themen.

 

Workshops der Wirtschaftsförderung sind ein guter Schritt, aber Digitalisierung ist ein Querschnittsthema und sollte nicht bei Wirtschaft aufhören. Mehr MINT, mehr Formate für die Stadtgesellschaft werden gebraucht um die Akzeptanz für die Digitalisierung auch in der Bevölkerung zu verbessern. Und wir sollten uns einfach mehr trauen. Mehr Leuchtturm sein, „Digitale Region“ leben und mehr Austausch mit den anderen Kommunen anstreben. Wir sollten bzw. müssen bei der Digitalisierung an einem Strang ziehen. Hier Gemeinsamkeiten stärken und Kooperationen fördern, spart Geld in Zeiten klammer Haushalte. Und wir stellen uns für die Erfordernisse der nächsten Jahrzehnte auf und laufen nicht hinterher.

 

Politische Forderungen und Initiativen brauchen nicht nur politische Mehrheiten, sondern auch eine leistungsfähige Verwaltung, die diese am Ende umsetzen muss. Verwaltung kann nur dann funktionieren, wenn wir über die entsprechenden personellen Ressourcen verfügen. In Zeiten knapper Kassen fällt der Blick natürlich immer auf die Personalkosten. Die IHK verweist traditionell in ihren Stellungnahmen zum Haushalt immer wieder gerne auf die Personalaufwendungen. In diesem Jahr fällt es dem geneigten Betrachter aber auf, dass die IHK deutlich zurückhaltender in ihrer Kritik ist. Vielleicht ist inzwischen auch ihr aufgefallen, dass man mit Forderungen à la „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass!“ nicht wirklich weiterkommt.

 

Auch die Bürgerschaft – dazu gehört die Wirtschaft – braucht eine funktionierende Verwaltung. Dafür braucht man auch genügend Personal. Auf dem Papier verfügt unsere Verwaltung auch über genügend Personal. Der vorgelegte Stellenplan gibt die Bedarfe, die wir haben, realistisch wieder. Das eigentliche Problem ist vielmehr, dass nicht alle Stellen besetzt sind.

 

Von den rund 1200 Stellen im Stellenplan sind circa 12 Prozent nicht besetzt. Die vorhandenen Mitarbeiter*innen haben inzwischen die Grenze der Belastung erreicht. Betrachtet man die vakanten Stellen, die teilweise zwei Jahre nicht besetzt werden können, dann weiß ich als Betriebsrat, dass dies auf Kosten der Mitarbeiter*innen geht. Dass die Verwaltung trotzdem gute Arbeit leistet, funktioniert nur durch das große Engagement der Mitarbeiter*innen. Auch wenn es kein Viersen-spezifisches Problem ist, müssen Verwaltung, Politik und der Personalrat sich Gedanken darüber machen, wie wir noch attraktiver für Bewerber*innen werden. Es passiert bereits einiges, aber da haben wir noch Luft nach oben.

 

Die SPD-Fraktion wird - wie in den Fachausschüssen bereits signalisiert – dem vorliegenden Haushalt und auch dem Stellenplan zustimmen. Beides steht auf einem soliden Fundament und gleichzeitig ist es kein Haushalt des Stillstandes. Das macht uns unsere Entscheidung einfach. Hoffen wir, dass wir in den nächsten Jahren von weiteren Krisen und auch Kriegen verschont bleiben.

 

Zum Abschluss möchte ich mich im Namen meiner Fraktion bei den Mitarbeiter*innen von Kämmerei und Finanzverwaltung unter Leitung von Frau Wöltering für die geleistete Arbeit und den vorgelegten Haushalt bedanken. Unter den derzeitigen Rahmenbedingungen einen soliden und zukunftsorientierten Haushalt vorzulegen, ist nämlich wahrlich keine einfache Aufgabe. Uns als Sozialdemokrat*innen ist durchaus bewusst, dass die Erstellung eines soliden Haushaltes gerade in den heutigen Zeiten eine große Herausforderung darstellt. Hier gilt nämlich nicht - ich zitiere frei nach Johanna von Koczian - der Satz „Das bisschen Haushalt macht sich von allein“.

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